ALDEIAS HISTÓRICAS DE PORTUGAL

Viele von uns kennen Portugal nur von den touristischen Zielen an der sonnenverwöhnten Algarve oder den Städten Lissabon und Porto. Um das wahre Portugal kennenzulernen, muss man sich jedoch ins Landesinnere begeben. In Zentralportugals Grenzregion zu Spanien, der Beira Baixa, liegen die Aldeias Históricas de Portugal. Wie Perlen an einer Kette sind die 12 historischen Dörfer dort durch einen 565 km langen Radweg miteinander verbunden.

Der GR22 ist eigentlich ein Wanderweg. Aber jetzt kann man ihn auch fahren, wenn auch auf einer geänderten Route, sowohl mit Mountainbikes oder Gravelbikes als auch mit Tourenrädern. Neben der Übersichtskarte der Route gibt es in jedem Dorf eine Informationsbroschüre auf Englisch mit einer Karte. Und fast jedes Dorf ist einen Besuch wert. Sie sollten jedoch bedenken, dass es hier und da steile Anstiege und Abfahrten gibt.

Befestigte Dörfer

Nach der Ankunft auf dem geschäftigen Flughafen von Madrid haben wir noch etwa 3,5 Stunden Autofahrt vor uns, bevor wir unseren Ausgangspunkt erreichen. Wie fast alle Dörfer hier liegt das ummauerte und wunderschön restaurierte Castelo Rodrigo hoch auf einer Bergkuppe (820 m). Auf diese Weise konnten in der Vergangenheit Angriffe in dieser Grenzregion zu Spanien abgewehrt werden. Wenn man nach einem steilen Aufstieg durch eines der Tore in der Stadtmauer aus dem Jahr 1296 das Dorf betritt, fühlt man sich gleich um Jahrhunderte zurückversetzt. Die auf einem Felsen errichtete Burg stammt aus dem 14. Jahrhundert. In der Mitte des Dorfes steht ein alter Pranger. Zum Glück sind wir nicht mehr an ihn genagelt. Eine ehemalige Synagoge wurde in ein Wasserreservoir umgewandelt. Im Jahr 2017 startete hier die dritte Etappe der Volta a Portugal. Diese Etappe wurde übrigens von Bryan Alaphilippe, dem jüngeren Bruder des bekannteren Julian, gewonnen.

© Aldeias Históricas de Portugal
© Aldeias Históricas de Portugal

Bikotel

Vom Gipfel aus können wir unser Quartier, das Hospedria do Convento de Santa Maria de Aguiar, unter uns sehen. Dieser historische Komplex aus dem 11. Jahrhundert inmitten der Weinberge wurde einst von Zisterziensermönchen bewohnt. Das Gasthaus ist heute ein Bikotel, eine Kette von fahrradfreundlichen Hotels in Portugal. Das hübsch dekorierte Gebäude diente früher auch als Übernachtungsort für Pilger. Aber wir kommen als moderne Pilger auf Fahrrädern. Die umliegenden Weinberge gehörten in der Vergangenheit zum Kloster. Die Weine gehören nach Meinung von Kennern zu den besten des Landes. Und da nicht viel los ist, bekommen wir gleich ein Upgrade unseres Zimmers.

Radfahren mit Segen

Am nächsten Tag radeln wir durch die Sierra da Marofa. Hoch oben auf einem bewaldeten Hügel (971 m) wacht Christus über uns. Wir genießen die schöne Natur um uns herum. Nach 55km und einem harten Schlussanstieg sind wir in Marialva. Hier zogen die Römer und die Araber vorbei. Und auch die Pilger nach Santiago de Compostella. Das kleine Dorf wird von den Überresten einer großen Burg dominiert. Das moderne Tourismusbüro steht in starkem Kontrast zu den alten Gebäuden. Wir fragen uns, ob dies eine gelungene Verbindung ist. Wir erkunden das Dorf durch kopfsteingepflasterte Straßen, vorbei an alten Häusern aus Naturstein. Auch hier ist die Zeit stehen geblieben. In der Nähe einer alten Dame, die noch einen Laden offen hält, trinken wir im Garten eine Tasse Tee und genießen die schöne Aussicht.

"Wie Perlen an einer Kette sind die 12 historischen Dörfer dort durch einen 565 km langen Radweg miteinander verbunden."

© Rens Klaasse
© Rens Klaasse

Königliche Hochzeit

Etwa 22 km weiter liegt die erste größere Stadt an der Strecke, Trancoso. Die auf einer Hochebene (870 m) gelegene Stadt mit etwa 3.500 Einwohnern ist vollständig ummauert und verfügt über 15 Türme. Gleich außerhalb der Stadtmauern befinden sich in den Fels gehauene Gräber. Über die beeindruckenden Portas d’El Rei, eine Hommage an eine königliche Hochzeit, die hier 1282 stattfand, fahren wir durch die engen Gassen in das Centro Histórico. Am Rande steht die imposante Burg, die die Stadt beherrscht. Doch leider sind wir am falschen Tag für einen Besuch da, denn die Burg ist geschlossen. So schlendern wir weiter entlang der Stadtmauern und der anderen drei Stadttore. Auch hier gibt es die für Portugal so typischen schönen Kacheltafeln. Bei Einbruch der Dunkelheit schaffen die Lichter eine zauberhafte Atmosphäre, wie in vielen anderen Dörfern auch. Und dann genießen wir das typisch portugiesische Gericht Bacalhau à Brás (Kabeljau mit Kartoffeln und Ei).

Naturpark

Auf unserem Weg nach Linhares da Beira radeln wir in den Parque Natural da Serra da Estrala, das größte Naturschutzgebiet Portugals. Hier befindet sich auch die höchste Bergspitze des kontinentalen Teils des Landes, der Torre (1993 m). Im Winter fällt hier auch Schnee, so dass Skifahren möglich ist. Die Landschaft wird von Steinen, Felsen und Klippen beherrscht. Am Rande des kleinen Dorfes befinden sich die Überreste der alten Römerstraße zwischen Mérida und Braga. Abgesehen von einigen Landhäusern hier und da, besteht das Dorf aus einfachen Granithäusern. Aber überall sieht man Merkmale einer fernen, adligen Vergangenheit. Im Zentrum steht ein schönes weißes Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert, das heute als Hotel genutzt wird. Oberhalb des Dorfes, auf einem 820 m hohen Felsen, steht eine Burg mit zwei riesigen Türmen. Von dort aus hat man eine herrliche Aussicht auf die umliegende Landschaft. In einem kleinen, stimmungsvollen Restaurant, der Taberna do Alceide, genießen wir ein leckeres Mittagessen. Denn auch Portugal hat eine köstliche Küche, die wir jeden Tag genießen.

Schiefer

Nun geht es ins echte Hochgebirge auf dem Weg nach Piódão, einem der malerischsten Dörfer des Landes. Dabei müssen wir 102 km mit fast 3.000 Höhenmetern zurücklegen. Die härteste Etappe. Die Qualität der schmalen Straßen ist manchmal nicht allzu gut. Und als wir uns dem Dorf nähern, stellen wir fest, dass wir nicht die einzigen sind, die das Dorf besuchen wollen. Es ist ein touristischer Hotspot. Die ganz aus Schiefer gebauten Häuser sind gegen einen grünen Berghang geputzt. Auch die engen, steilen Straßen und Treppen sind aus Schiefer. Nur die schneeweiße Kirche hebt sich von den braun-orangenen Häusern ab. Das Wasser aus den Bergen fließt in Seen entlang der Straßen. Im Fluss wurde ein Naturschwimmbad angelegt. Wenn die Tagesausflügler weg sind, kann man das malerische Dorf in Ruhe genießen. Übrigens gibt es in dieser Region noch viele solcher Schieferdörfer (Aldeias de Xisto).

Waldbrände

Als wir auf einer ruhigen Landstraße in der Nähe von Castelo Novo fahren, fliegt plötzlich ein Löschhubschrauber über uns hinweg. Eine riesige Rauchfahne steigt zwischen den Hügeln auf. Wenige Minuten später hören wir die Sirenen der bombeiros (Feuerwehrleute), die sich schnell nähern. Ein Foto zu machen, wird von ihnen nicht sehr geschätzt. Als wir uns dem Dorf nach 110 km nähern, sehen wir nur noch geschwärzte Hänge. In einem Café am Rande des Dorfes nehmen wir einen Drink. Dort erzählt uns die Bardame, dass sie vor ein paar Monaten nur knapp einer Katastrophe entgangen sind. Das Feuer machte vor den Stadtmauern halt. Sie schützen also auch heute noch das Dorf. Durch die engen Gassen, vorbei an den Granithäusern, gelangen wir zur hohen Burg aus dem 11. Jahrhundert. Jahrhundert. Von hier aus hat man einen schönen Blick auf die umliegende, aber inzwischen arg ramponierte Landschaft. Vor dem schönen Rathaus mit seinen markanten Bögen befinden sich ein Königsbrunnen und ein Pranger.

Zurück auf dem Lande

Nach den Hügeln folgt eine kurze Fahrt nach Idanha-a-Velha. Der Eingang des kleinen Dorfes wird von einem Tor mit zwei runden Türmen beherrscht. Es ist auf den Überresten einer römischen Stadt erbaut. Die Geschichte dieses Ortes reicht bis in die Anfänge unserer Zeitrechnung zurück. Die römische Brücke über den Rio Ponsul ist noch gut erhalten.

© Aldeias Históricas de Portugal

Wenn Wasser im Fluss ist, kann man ihn auf der anderen Seite des Dorfes über eine Reihe von Steinen überqueren. Eine zweite Brücke war offenbar zu teuer. Im örtlichen Café gibt man sich alle Mühe, es uns gemütlich zu machen. Aber das Dorf könnte ein Facelifting gebrauchen. Denn im Vergleich zu den anderen Dörfern sieht es ziemlich deplatziert aus. Unser nächstes Ziel, 11 km weiter, können wir schon hoch oben auf einem Hügel sehen. Portugals portugiesischstes Dorf Monsanto.

Ein Dorf inmitten der Felsen

Die Straße hinauf auf den Hügel ist steil, aber sie belohnt uns mit fantastischen Ausblicken. Das Dorf liegt 758 m über dem Meeresspiegel und befindet sich inmitten einer Granitfelsenlandschaft in wunderschöner Natur. Die Felsen waren schon vorher da und wurden später einfach dazwischen gebaut. Das macht das Dorf so einzigartig. Sie wandern durch die engen, gewundenen Gassen zwischen den schief gebauten Häusern aus grob gestapelten Granitsteinen hinauf. Die riesigen Steine wirken wie Mauern oder Decken. Die hochmittelalterliche Burg wurde im 19. Jahrhundert durch eine Explosion von Munition zerstört. In der Nähe der Überreste der Burg befinden sich noch einige ummauerte Ställe, in denen früher das Vieh gehalten wurde. Im Falle einer längeren Belagerung war also alles leicht zu erreichen. In einigen Dörfern, wie hier, gibt es noch den alten Brauch, die Speisen zentral in den Dorföfen zuzubereiten. In den südlichen Ländern sieht man das noch regelmäßig, aber wir kennen es nicht wirklich.

Zurück nach Norden

Wir radeln wieder nach Norden, nach Sortelha. Dieses komplett ummauerte, fast kreisrunde Dorf ist auf einen Felsen gebaut. Und es wird, wie Sie sich denken können, von einer Burgruine beherrscht. Einst ein wichtiger strategischer Standort zur Verteidigung des dahinter liegenden Landes. Durch ein altes Stadttor mit einem Balkon fahren wir hinein. Auch hier erwartet man, dass man sich jeden Moment in einer mittelalterlichen Szene wiederfindet. Viele schöne Ausblicke und schöne alte Häuser. Touristen sieht man hier kaum. Zum Glück gibt es eine schattige Terrasse, auf der wir ein leckeres Mittagessen mit einem Künstler genießen. Auf der anderen Seite verlässt man das Dorf wieder durch ein Tor auf einer alten Römerstraße. Die umliegende Landschaft wird hier von Kastanienhainen dominiert.

© Rens Klaasse
© Aldeias Históricas de Portugal

Ein Bauerndorf

In der Nähe der Stadtmauer von Castelo Mendo sitzt ein Bauer im Laderaum seines Traktors und schält Kartoffeln, während seine Ziegen nach ein paar spärlichen grünen Zweigen suchen. Ein Bild. Die obere Zitadelle ist ebenfalls ummauert. Über das jahrhundertealte Pflaster hoppeln wir hinauf. Die Ruinen der schönen Kirche Santa Maria aus dem 13. Jahrhundert ragen hoch über dem kleinen Dorf auf. In der Nähe sieht man überall die großen Granitsteine, die ein Riese hier verstreut zu haben scheint. Das Dorf mit seinen sechs mittelalterlichen Toren ist nach dem ersten Burgherrn benannt. Gleich außerhalb der Stadtmauer steht ein weiterer schöner alter Taubenturm, wie man ihn in dieser Region häufig findet.

Prächtige Festung

Das letzte Dorf auf unserer Tour ist das nahe gelegene Almeida. Dieses Kleinod aus dem Jahr 1641 liegt nur sieben Kilometer von der spanischen Grenze entfernt und ist wie ein zwölfzackiger Stern aufgebaut. Zwei große Tore bilden den Eingang. Man muss die Stadt aus der Luft betrachten, um zu sehen, wie schön die Festungsanlagen gestaltet sind. Im Inneren der Festung sind noch zahlreiche militärische Gebäude wie die Infanteriekaserne zu sehen. Das alte Arsenal wurde in die wunderschöne Reitschule Picadeiro D’el Rey umgewandelt. Die Befestigungsanlagen, bestehend aus sechs Bastionen und sechs Ravelins, sind alle zugänglich gemacht worden. Eine Schafherde hält das Gras auf den Festungsmauern kurz.

Abschluss in Belmonte

Bevor wir nach Spanien zurückfahren, besuchen wir noch einmal Belmonte, wo uns Dalila Dias zu einem Besuch im Routenbüro eingeladen hat. Nach einer Tasse Kaffee ist es an der Zeit, die Stadt zu erkunden. Sie hat eine reiche jüdische Geschichte und ist auch der Geburtsort von Pedro Alvares Cabral, dem Entdecker Brasiliens. Im Museum im Schloss erfährt man alles darüber. Auf einer Terrasse des Fio de Azeite auf dem Platz in der Nähe des alten Rathauses, an dem das Logo der Route hängt, beendeten wir unseren Besuch in Portugal. Wir waren angenehm überrascht von der Schönheit dieses unbekannten Teils Portugals und der Gastfreundschaft der Menschen. Das Routenbüro hilft Ihnen gerne mit allen Informationen, die Sie benötigen. Siehe http://aldeiashistoricasdeportugal.com. In den vergangenen Jahren gab es auf der Rad- und Wandermesse einen Portugal-Stand, der für die Route warb.

© Aldeias Históricas de Portugal
© Aldeias Históricas de Portugal

Text: Rens Klaasse

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