FRUCHTBARER SLOWENISCHER RADSPORTBODEN

Wenn man das schöne grüne Slowenien besucht, ist man als Radsportfan natürlich neugierig, ob man viele Spuren der aktuellen Generation von Spitzenradfahrern findet. Dass der Radsport hier lebendig ist, erkennt man an der großen Zahl von Radfahrern, denen man am späten Nachmittag und an den Wochenenden begegnet. Bei der Durchquerung des relativ kleinen, aber landschaftlich sehr abwechslungsreichen Landes haben wir nach einigen Orten gesucht, in denen die Wurzeln der Fahrer liegen. Dabei kamen wir zu folgenden Ergebnissen.

Fruchtbarer Boden

Interessanterweise sind viele der Reiter in der Hauptstadt Ljubljana oder in deren unmittelbarer Nähe geboren. Fast alle bekannten Fahrer kommen aus dem Dreieck Ljubljana, Kranj und Kamnik. Offenbar gibt es hier einen sehr fruchtbaren Boden für den Radsport. Eine mögliche Erklärung ist, dass es hier einige sehr aktive Radsportvereine mit einer sehr langen Geschichte gibt. Hier spielt sicherlich auch die sozialistische Geschichte des Landes eine Rolle, in der Sport und körperliche Entwicklung sehr wichtig waren.

Das Dorf Tadej Pogačar

Etwa 25 Kilometer nördlich der Hauptstadt, zwischen den Städten Kranj und Kamnik, liegt das etwa 900 Einwohner zählende historische Bauerndorf Komenda, dessen Geschichte bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Es liegt im flachen Becken des Flusses Sava und ist unter anderem für die Pferde- und Bienenzucht bekannt. Auf der Fahrt dorthin sehen wir die typischen slowenischen Heustadeln und -ständer aus Holz, die Kozolec. Im Frühjahr und Frühsommer sind die Ställe voll mit Heu, im Herbst mit Maiskolben. Die Gegend ist noch immer stark vom Hochwasser der Save im vergangenen August betroffen. Am Kreisverkehr in der Nähe des Rathauses, mit einer großen monumentalen Linde in der Mitte, sind noch die gelben Spuren auf der Straße zu sehen, die an die Tour-Siege von Tadej Pogačar in den Jahren 2020 und 2021 erinnern. Außerdem gibt es dort ein Trio von Fotos seiner wichtigsten Siege. Eines davon ist der Sieg bei der Flandern-Rundfahrt 2023. Viele Radtouristen drehen dort ein paar Mal um, bevor sie weiterfahren.

Fahnen Sloweniens und Ljubljanas © Rens Klaasse
Kreisverkehr Komenda © Rens Klaasse

Der Anstieg nach Klanec

Am Kreisverkehr am Fuße des nur 250 m langen Anstiegs nach Klanec und Cerklje mit einer durchschnittlichen Steigung von 4,3 % befindet sich ein Bienenstock. So fliegen die Radfahrer wie von einer Biene gestochen die Glavarjeva cesta hinauf. Der höchste Punkt von 353 m liegt gleich hinter der Kirche St. Peter. Das Gelände um die Kirche aus dem 18. Jahrhundert wurde von dem bekannten Architekten Jože Plečnik gestaltet. Einige seiner Werke wurden von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Auf dem Gipfel erfahre ich, dass die Kirche auch auf dem Radweg nach Santiago de Compostela liegt (dem Kolesarska Jakobova pot Slovenija). Ob Tadej auf diesem Minihügel schon als kleiner Junge seine unglaublichen Kletterfähigkeiten trainiert hat?

Klanec selbst ist ein kleines Bauerndorf mit etwa 250 Einwohnern, in dem Tadej Pogačar geboren wurde und aufwuchs. Man beachte, dass es im Land mehrere Dörfer mit diesem Namen gibt. Seine Eltern Marjeta und Mirko leben noch immer dort, während Pogačar die meiste Zeit des Jahres in Monaco verbringt. In der Gostilna Klanc, der einzigen Bar/Restaurant des Dorfes, ist es auf der Terrasse noch sehr ruhig. So wie übrigens auch im Dorf selbst. Von seinem berühmtesten Einwohner ist keine Spur zu finden. In letzter Minute sehen wir, dass beim Eierverkäufer in Potok pri Komenda, ein paar hundert Meter vom Haus der Pogačars entfernt, über der slowenischen Flagge ein gefaltetes Banner von Tadej über dem Balkongeländer hängt. Dennoch, eine sehr kleine Spur.

Obwohl er in seinem eigenen Dorf so gut wie unsichtbar ist, begegneten wir ihm im ganzen Land mehrmals im Straßenbild auf großen Werbeplakaten für Mineralwasser der Marke Jana mit dem Text “all the way with me”.

 

Radsportstadt Kranj und l’Étappe Slowenien bei der Tour de France

Radsportler wie Jan Polanc, Luka Mezgec, Matej Mohorič und Tadej Valjavec haben ihre Wurzeln in dieser Stadt. Am Stadtrand liegt die 400 Meter lange Beton-Radrennbahn, auf der die jungen Talente des Kolesarski klub (KK) Kranj in ihren markanten grünen Outfits Trainingsrunden drehen.

Als wir das Fremdenverkehrsbüro auf dem Platz in der hochgelegenen Altstadt von Kranj aufsuchen, ist gerade die zweite Auflage der Tour de France l’Étappe Slovenia zu Ende gegangen, deren Start und Ziel in Kranj liegen. Das Gebäude von Visit Kranj strahlt noch immer die Atmosphäre dieses Rennens aus, das Teil der weltweit organisierten l’Étappe-Serie ist.

Botschafter Matej Mohorič hat sein Herz am rechten Fleck

Der dreifache Weltmeister wurde in Podblica westlich der Stadt Kranj geboren. Das Dorf in den slowenischen Alpen mit rund 120 Einwohnern liegt auf 631 m Höhe. Hier liegt also die Basis für seine berühmte Abfahrts-Technik. Im Jahr 2021 gehört er zu den Fahrern, die bei allen drei großen Rundfahrten eine Etappe gewinnen konnten. Er ist der Botschafter der Étappe Slovenia der Tour de France. Die Organisatoren spendeten 8.000 Euro an die Matej-Mohorič-Stiftung, um denjenigen zu helfen, die von den Überschwemmungen in dieser Region im vergangenen August am stärksten betroffen waren.

Kranj wird für einen Tag gelb

Obwohl die Tour de France noch nie in Slowenien zu Gast war, strahlt Kranj während der Etappe Slowenien die Atmosphäre einer echten Tour-Etappe aus. Mit den beiden Distanzen von 136 und 68 km mit 2150 bzw. 1080 hm hatten die Teilnehmer eine ziemliche Aufgabe vor sich. Aufgrund der Wetterbedingungen, die Anfang August in Slowenien herrschten, fand das Rennen in diesem Jahr auf einer leicht veränderten Strecke statt. Die Strecke führte auch durch Mohoričs Heimatdorf, wo ein auf die Straße gemaltes Trikot des slowenischen Meisters die Radfahrer während des Anstiegs zum Jamnik (6,7 km mit durchschnittlich 5,9 %) begrüßte. Dort stand übrigens auch der berühmte Tour-Teufel Didi Senft. Sieger wurde – wie schon bei der ersten Auflage – Ex-Profi Johnny Hoogerland, der gleich hinter der Grenze in Österreich lebt. Die nächste Auflage findet am 7. und 8. September statt, alle Infos dazu gibt es unter https://slovenia.letapebytourdefrance.com.

Wo können wir Primož Roglič finden?

Er steht bei seinen Landsleuten in hohem Ansehen. Nicht nur wegen seiner Leistungen, sondern auch wegen seiner außergewöhnlichen Geschichte: vom Skispringer zum Radsport-Champion, von Null bis ganz nach oben. Wenn er nicht gerade in Monaco lebt, wohnt er in dem Dorf Gameljne bei Ljubljana. Seine enorme Popularität spiegelt sich auch in den vielen Jumbo-Visma-Trikots wider, die von Radtouristen in seiner Heimat getragen werden. Jetzt, da er dieses Team nach acht Jahren verlässt, wird der Webshop seines neuen Teams Bora-hansgrohe mit Bestellungen aus Slowenien überschwemmt. Am Rande der Stadt Kisovec, 50 km östlich der Hauptstadt, steht die Skisprungschanze, auf der Roglič seine sportliche Karriere begann. Etwas außerhalb des Dorfes, in der Nähe der Brücke über die Medija an der Abzweigung zum Elternhaus von Primož in Stahovlje, stehen ein spanischer Stier, goldene olympische Ringe und zwei große Plaketten, die an seine Siege beim Giro (2023), bei der Vuelta (2019, 2020 und 2021), bei den Olympischen Spielen (2021) und bei der slowenischen Meisterschaft (2020) erinnern.

Primož Roglič mit dem rosa Trikot © Sportida
Tour Teufel Didi Senft © L'Étape Slovenia

Slowenische Helden in ihrem eigenen Land bei der Arbeit beobachten

Die fünftägige Slowenien-Rundfahrt wird 2024 zum 30. Mal ausgetragen und findet vom 12. bis 16. Juni statt. Aufgrund des vollen Radsportkalenders kann man nicht erwarten, dass alle slowenischen Spitzenfahrer in ihrem eigenen Land starten. Im Jahr 2023 gewann Matej Mohorič die letzte Etappe und wurde Zweiter in der Gesamtwertung. Im Jahr 2018 war er schon einmal Dritter. Unser Landsmann Floris De Tier (Bingoal WB) war als 17. der beste Belgier. Primož Roglič gewann das Rennen in den Jahren 2015 und 2018, Tadej Pogačar in den Jahren 2021 und 2022. Dieses Rennen führt durch das ganze Land. Mit Sloweniens abwechslungsreichen Landschaften, von flach bis hochgebirgig, liefert die Slowenien-Rundfahrt immer einen spannenden Kampf und garantiert tolle Bilder.

Matej Mohorič auf der 2. Etappe© Sportida

Text: Rens Klaasse

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