CYCLO-CROSS RUFT THIBAU NYS

Das war einmal der Titel einer beliebten Fernsehsendung bei unseren nördlichen Nachbarn. Auch im modernen Radsport gibt es Söhne, die in die Fußstapfen ihrer Väter treten. Bekannte Beispiele sind David und Erik Dekker, Mathieu und Adrie van der Poel, Nicolas und Alexandre Vinokourov sowie Boy und Jean-Paul van Poppel. In Flandern sind Thibau und Sven Nys zweifelsohne das Paar, das am meisten im Rampenlicht steht.

Beide sind Spitzenradsportler, aber Thibaus Ergebnisse auf der Straße können nicht mit denen von Vater Sven mithalten. Wir sind in den letzten Monaten mit dem ‘kleinen Kannibalen’ gefahren und haben auch einen Blick in die Zukunft geworfen.

Immer noch leidenschaftlich beim Cross

Die vergangene Cyclocross-Saison begann für Thibau Nys mit einem fulminanten Start. In seinen ersten fünf Rennen holte er gleich drei Siege: beim B-Mine-Cross in Beringen, beim UCI-Weltcuprennen im amerikanischen Waterloo und beim Koppenbergcross. Sein Sieg in Waterloo war ein schönes Geschenk für einen der Sponsoren seines Teams. Immerhin ist Waterloo die Heimat des Fahrradherstellers Trek. Nach dem sehr guten Start konnte er diese starke Linie jedoch nicht fortsetzen. Auch damit war er nicht zufrieden, aber im Nachhinein dachte er, dass er einen guten Schritt gemacht hatte.

Das Straßenprogramm

Der erste Teil seines Straßenprogramms mit der Tour de Romandie, der Ungarn-Rundfahrt und der Norwegen-Rundfahrt war mehr oder weniger derselbe wie im letzten Jahr. Mit zweiten Plätzen bei den Etappen der ersten beiden Rundfahrten und einem Sieg in Norwegen (seinem ersten als Profi) war er schon damals recht erfolgreich. Doch dieses Jahr ist er mit noch mehr Ehrgeiz an den Start gegangen. Schließlich will er bei jedem Rennen Leistung bringen.

Erster World Tour-Sieg

Nach der harten Cyclocross-Saison gönnte sich Nys nach den Weltmeisterschaften in Tábor die nötige Ruhepause, um sich auf seine erste Straßensaison als Profi mit dem World Tour-Team Lidl-Trek vorzubereiten. Nach einem Höhentrainingslager auf Teneriffa war der heute 21-jährige Thibauer Ende April bei seinem ersten Straßenrennen der Saison, der Schweizer Tour de Romandie, am Start. Auf der zweiten Etappe befand er sich zum ersten Mal in seiner Karriere in einer frühen Ausreißergruppe. Und das zog sich bis zum Ende durch. Mit einem starken Schlusssprint mit drei Bergankünften holte er sich seinen ersten WorldTour-Sieg und durfte gleich auch noch das Leadertrikot überstreifen. “Ich habe mich am Schlussanstieg wirklich noch super gut gefühlt. Daran werde ich mich für den Rest meines Lebens erinnern“. Es wurde sofort klar: Nach einem harten Rennen und in einem bergauf führenden Schlusssprint ist er kaum zu schlagen.

Wie ein Puszta-Fahrer durch ungarisches Land

Etwas mehr als eine Woche später stand er bereits am Start der fünftägigen Ungarn-Rundfahrt. Die Geschichte dieser bei uns relativ unbekannten Runde geht auf das Jahr 1925 zurück. Die Strecke war sicherlich nicht leicht zu fahren. Nach der ersten flachen Etappe war der Rest des Rennens ein harter Anstieg. Das Ziel der letzten drei Etappen war bergauf. Diese Jacke schien Thibau sehr gut zu passen. Mit einem starken Schlusssprint triumphierte er auf der dritten Etappe und übernahm auch das Leadertrikot. Einen Tag später tat er dasselbe und baute seine Führungsposition weiter aus. Auf der letzten Etappe war er nicht mehr in Gefahr und so schrieb er das erste Radrennen in seine Bilanz.

Mark Cavendish war ebenfalls im Rennen. Er wurde Zweiter in der Punktewertung hinter Thibau. Es war sein vorletztes Vorbereitungsrennen vor der Tour de France, bei der er den Rekord an Etappensiegen (35) endgültig eingestellt hat.

A road season to enjoy © TdP24 Tomasz Smietana

Auf in den hohen Norden

Die erste Etappe der Norwegen-Rundfahrt war ein Volltreffer für Nys. Der fast 4 km lange Anstieg mit einer durchschnittlichen Steigung von 6 % bis zum Ziel ist für ihn ein gefundenes Fressen. Und er war auch der erste Träger des Leadertrikots. Bei diesem Rennen gab übrigens Wout van Aert sein Comeback nach seinem schweren Sturz bei Dwars door Vlaanderen.

Die Tour de Suisse

Für viele Fahrer ist dieses Rennen der allerletzte Test vor der Tour de France. Aber für Thibau war es die Vorbereitung auf die belgische Meisterschaft, mit der er den ersten Teil seiner Straßensaison mit einem guten4. Platz beendete. Auf den letzten Kilometern der dritten Etappe sieht Nys seine Chance gekommen. Als Wilco Kelderman losfährt, greift er nach seinem Rad. Auf den letzten 150 Metern auf der ansteigenden Zielgeraden in Rüschlikon setzt sich Nys durch und gewinnt den Sprint souverän. Er holt sich damit seinen sechsten Saisonsieg. Dabei lässt er Stephen Williams und Alberto Bettiol hinter sich. “Ich hatte schon seit einiger Zeit über diese Etappe nachgedacht. Ich wusste auch nach der Erkundung, dass dies etwas für mich sein würde. Das ist mehr als ein Traum, und das ist mit Emotionen verbunden. Das ist mein bisher bester Sieg.” Ein weiterer Beweis dafür, wie stark er auf solchen Etappen ist.

The first stage victory in Hungary © Vanik Zoltán tdh.hu
The teammates thank after the second stage win © Vanik Zoltán tdh.hu
The second stage win is in © Karancsi Albert Rudolf tdh.hu

Aller guten Dinge sind drei

Bei der Polen-Rundfahrt nahm Thibau seine Straßensaison wieder auf. Und was für eine. Auch hier fand er seine bevorzugten Zieleinläufe: „ziemlich kurz und steil oder drei bis vier Kilometer mit nicht allzu steilem Anstieg“. Er gewann die erste (Schlussanstieg 450 m bei 3,6 %), dritte (900 m bei 8,1 %) und sechste Etappe (3 km bei 5 %), letztere war die Königsetappe. Dabei schlug er keine Pfannkuchen, sondern die Spitzenfahrer des Pelotons wie Kelderman, Ulissi, Vingegaard und Mohorič.

Das letzte Rennen der Straßensaison

Sein letztes Straßenrennen war die Bretagne Classic-Quest-France, bei der er Fünfter wurde. Im Nachhinein sagte er, dass vielleicht mehr drin gewesen wäre: “Körperlich hatte ich einen meiner besten Tage in diesem Jahr, aber ich habe in einem Moment riskiert, in dem ich es wahrscheinlich nicht hätte tun sollen. Dadurch habe ich das Rennen verloren“. Es ist wieder einmal klar, dass Thibau einen großen Schritt gemacht hat.

Weißt du, wer anruft? Der Radrennsport ruft’.

Bei jeder Runde, an der er teilgenommen hat, hat er eine Etappe gewonnen. Ein gelungener Start auf höchstem Niveau. Wenn er in einer Runde um den Gesamtsieg mitfahren will, muss er mehr in sein Zeitfahren investieren. In Ungarn war das nicht der Fall. Vom Querfeldeinrennen als seiner ersten Liebe will er sich aber vorerst nicht verabschieden. Das ist noch zu sehr seine Spielwiese und bleibt seine erste und große Liebe. Wir haben unsere Knochen und unser dickes Fell bereit, ihn auch dort Spektakuläres leisten zu sehen. Und wenn wir auch dann noch nach vorne schauen: Auf der Straße könnte er sich im nächsten Jahr auf die Wallonischen Klassiker konzentrieren, damit er nach der Cross-Saison eine Ruhe- und Trainingsphase einlegen kann. Eine Grand Tour zu fahren, ist etwas für die fernere Zukunft.

Eines ist klar: Er hat uns alle sehr angenehm überrascht und wir haben noch nicht das letzte Mal von ihm gesehen.

Und… wo sind die Tage geblieben, an denen wir ihn als kleinen Jungen auf seinem kleinen Fahrrad bei den Cross-Country-Rennen herumfahren sahen, wo sein Vater das schöne Wetter machte?

Text: Rens Klaasse
Cover Photo: © Karancsi Albert Rudolf tdh.hu

In the leader's jersey in Norway © Szymon Gruchalski
Three times lucky © TdP24 Tomasz Smietana

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