MARGA LOPEZ LEBT AUF EINER ACHTERBAHN
Im vorherigen Artikel über Mallorca haben wir geschrieben, dass es auf Mallorca keine echte Radsportkultur gibt. Wie bist du dann zum Radsport gekommen?
„Das ist ein echter Familienvirus, den ich mir eingefangen habe. Mein Vater, mein Onkel, mein Bruder und meine Cousins haben fast alle gleichzeitig mit dem Radfahren zum Spaß angefangen. Etwas später begannen meine Cousins mit dem Rennsport, und auch mein Bruder konnte dem Reiz nicht widerstehen. Das hat mich als junges Mädchen sehr angesteckt, und so habe ich auch damit angefangen. Mein Vater eröffnete später einen Fahrradladen/ein Fahrradverleih – Curro Bikes in Campos. Der Radsport-Virus war also wirklich in der Familie. Ein Virus, dem ich nicht entkommen konnte und der mich nie wieder verlassen wird.“
Du hast also schon sehr früh dein erstes Rennrad bekommen?
„Ja, 2005, als ich sieben Jahre alt war, fuhr ich schon auf meinem ersten Rennrad, einem BH mit der Schaltung noch am Rahmen. Ein Jahr später, 2006, bekam ich zu meiner Erstkommunion ein Specialized Allez, das war ein Aluminiumrahmen und eigentlich mein erstes richtiges Rennrad. Das Fahrrad war damals schon mein bester Freund und Radrennfahrer zu werden war mein Traum.“
Und wann hast du mit dem richtigen Training begonnen?
„Als ich acht Jahre alt war, gingen wir zur Radsportschule unter der Leitung von Toni Abraham. Fahrer aus allen Radsportvereinen konnten bei ihm auf der Bahn in Sineu trainieren. Dort lernte ich die Grundlagen des Radsports und die Fähigkeiten, um auf der Bahn zu fahren. Von da an trainierte ich jede Woche mit dem Rennrad auf der Bahn und manchmal konnten wir dort auch schon auf einem Bahnrad fahren.“
Und dann hast du mit dem Rennsport begonnen?
„Ich bin schon Straßenrennen gefahren, bevor ich bei Toni mit dem Training auf der Bahn angefangen habe. Aber schon bald nach meinen ersten Trainingseinheiten auf der Bahn bin ich mein erstes Rennen auf der Bahn in Palma gefahren. Das lief gut und hat mir Lust auf mehr gemacht.“
Dann hast du dich schnell auf die Bahn konzentriert?
„Nein, nicht ganz. Zwischen meinem achten und fünfzehnten Lebensjahr habe ich Straßenrennen mit Bahnrennen und Mountainbike-Rennen kombiniert. Aber das war etwas zu viel des Guten, was das Material anging, und so musste ich mich entscheiden. Das Mountainbike fiel weg und ich konzentrierte mich von da an auf Straßen- und Bahnrennen.“
Und mit Erfolg?
„Ich wurde dreimal nationaler Meister auf der Bahn (Punktefahren, Scratch und Keirin) in der U16 und gewann in späteren Kategorien noch verschiedene Titel. Ich wurde von der Nationalmannschaft angerufen und war überglücklich. Allerdings wurde schnell klar, dass es überhaupt keine Betreuung gab und dass sie nur an der Mannschaftsverfolgung interessiert waren, für die sie mich ausgewählt hatten. Das war aber zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mein Ding. Ich hatte und habe immer noch das Gefühl, dass sie die Athleten dort überhaupt nicht in der Entwicklung ihrer Talente unterstützt haben und die Fahrer nur für ihre eigenen Ziele benutzt haben.“
Und wie bist du dann zu deiner Karriere im Straßenradsport gekommen?
„Auf Mallorca gab/gibt es nicht viele Wettkämpfe und schon gar keine Rennen, bei denen Frauen auf hohem Niveau gegeneinander antreten konnten/können. 2016 unterschrieb ich einen Vertrag beim spanischen UCI-Team Bizkaia – Durango und gewann das erste Rennen um den spanischen Pokal. 2017, als ich 19 war, wurde ich vom italienischen Team C-Max mit vielen Versprechungen und guten Konditionen kontaktiert. Ich unterschrieb dort einen Vertrag, aber es stellte sich heraus, dass es sich um ein komplettes Phantomteam handelte. Als die Saison begann, gab es wirklich nichts. Niemand reagierte auf E-Mails oder Anrufe, es gab keine Erklärung, es gab einfach kein Team. Da stand ich nun ohne Team. Ich fuhr vor allem mit dem Nationalteam auf der Bahn und begann, meinen Lebenslauf an alle UCI-Teams zu schicken.

Aber dann bist du in Belgien gelandet?
„Ja, und da öffnete sich für mich der Himmel! 2019 hatte ich mehrere Optionen und entschied mich dann für das belgische Health Mate – Cyclelive Team. Dort lernte ich, was echtes Radrennen ist. Ich kam in ein tolles Team mit einem schönen Programm und guter Betreuung. Mir wurde gesagt, dass es Zeit brauchen würde, um die Grundlagen zu legen, um mich von einer Bahnfahrerin zu einer guten Straßenfahrerin zu entwickeln. Geduld, viel Ausdauertraining und Durchhaltevermögen waren das Gebot der Stunde, und damit habe ich seitdem auch begonnen.“
„Die Athleten wurden nicht wirklich unterstützt und für ihre eigenen Ziele benutzt.“
Und dann gerietst du in eine Achterbahnfahrt der Teams?
„Das Team löste sich aufgrund von Problemen am Ende des Jahres auf und ich musste mir ein neues Team suchen. Ich fand jedoch keinen Platz mehr bei einem UCI-Team und schloss mich daraufhin für die folgende Saison dem Equano Cycling Team (Clubteam) an. Aber auch dieses Team löste sich am Ende der Saison 2020 auf.“
Du bist also in Belgien geblieben, denn auch das Equano-Team war ein belgisches Team…
„Ja, denn es war klar, dass man hier in Belgien als Radrennfahrerin Karriere machen kann. Hier finden fast jede Woche hochkarätige Rennen statt. Es gibt auch viele flache oder leicht hügelige Strecken, auf denen ich als Sprinterin gute Ergebnisse erzielen kann. Außerdem gibt es viele belgische Teams, bei denen man ein schönes Programm fahren kann. So fand ich 2021 eine neue Heimat beim Lviv Team (Continental Team), das von Belgien aus geleitet wurde. Allerdings wurde auch dieses Team am Ende des Jahres aufgelöst. Die Atmosphäre und die Organisation in diesem Team waren nicht immer optimal, aber es war schwer, wieder ohne Team dazustehen. Im Jahr 2022 fuhr ich dann hauptsächlich nationale Rennen in Belgien für das S-Bikes Doltcini Team (ein belgisches Clubteam).„
Und dann bist du zum Proximus-Team gekommen…
“Ja, ich konnte dann 2023 und 2024 beim kontinentalen Proximus-Team anfangen, wo es aber wieder Probleme gab. Jetzt, im Jahr 2025, fahren wir für das VELOPRO – Alpha Motorhomes Team, das wieder ein Continental Team ist. Wir haben ein schönes Programm und ich fühle mich hier wohl. Hoffen wir, dass wir jetzt etwas Kontinuität aufbauen können, um den nächsten Schritt in meiner Karriere zu machen.”

Auch deine Ergebnisse sind in diesem Jahr auf dem Vormarsch?
„Ja, ich habe kürzlich zwei nationale Rennen in Folge gewonnen und einige gute Platzierungen in UCI-Rennen erzielt. Damit liege ich derzeit auf Platz 809 der UCI-Rangliste, was meine bisher beste Platzierung ist. Am Ende der Saison möchte ich unter den Top 500 sein.“
Was sind die wichtigsten Dinge, die du in Belgien auf körperlicher Ebene gelernt hast?
„Wenn du dich als Radrennfahrer weiterentwickeln willst, ist Belgien der richtige Ort. Hier gibt es viele nationale Rennen, an denen jeder mit der richtigen Lizenz teilnehmen kann. Es sind zwar sogenannte nationale Rennen, aber es sind Fahrer aus der ganzen Welt am Start. Es gibt immer viele Teilnehmer, und das internationale Teilnehmerfeld hebt automatisch dein Niveau.
Außerdem habe ich wirklich gelernt, zu leiden! Auf einem langen Anstieg ist es einfacher, sich gehen zu lassen, weil man als Nicht-Kletterer weiß, dass das Rennen nichts für einen ist. In Belgien gibt es keine Chance, sich auf einem Anstieg gehen zu lassen, weil es kaum Rennen mit langen Anstiegen gibt. Man muss also dranbleiben, wenn es schwer wird, und so wird man besser, sowohl körperlich als auch mental.“
Und taktisch?
„So ziemlich alle taktischen und technischen Fähigkeiten, die man vor allem in flachen oder leicht hügeligen Rennen braucht: Positionierung, Seitenwind, Kurvenfahren, Angriffe, lernen, wie man einen Sprintzug bildet. Hier ist das Rennen ganz anders als in Spanien. Ein flaches Rennen bedeutet nicht, dass es ein leichtes Rennen ist. Die Leute neigen dazu, das zu glauben, aber sie irren sich. Jede Art von Rennen hat ihre Schwierigkeiten. Ich bin mir sicher, dass wir in Spanien viele gute Fahrer verloren haben, weil wir uns zu sehr auf das Klettern konzentriert haben. In Spanien hat man als Nicht-Kletterer fast keine Chance, es zu schaffen. Entweder man verlässt das Land oder man ist hart zu sich selbst.“
Das nenne ich Durchhaltevermögen! Woher nimmst du das nach all den Rückschlägen mit so vielen Teams?
„Es ist ein Traum, der mich nicht loslässt und für den ich alles geben werde. Ich habe beim Health Mate – Cyclelive Team einen Vorgeschmack auf den Profi-Radsport bekommen, und es ist ein Traum, ein Drang und ein Antrieb, der mich nicht loslässt, wieder in einem UCI-Team zu fahren. Kinder träumen, aber auch Erwachsene tun dies, und ohne Träume kommt man nicht an die Spitze. Sobald alle Puzzleteile zusammenpassen, werde ich diesen Traum verwirklichen!
Wir wünschen dir das von ganzem Herzen, Marga! Talent, Charakter und Ausdauer hast du genug. Jetzt brauchst du nur noch das Glück auf deiner Seite und ein Team, das wirklich an dich glaubt und dir alle Chancen gibt, dann wird alles gut!
Dieses Interview fand am 10. April auf Mallorca statt. Inzwischen hat Marga zwei Rennen in Belgien (NAT) gewonnen und wurde Sechste im GP Beveren 1.2. Ihr Aufstieg in der UCI-Rangliste ist in vollem Gange, denn inzwischen (25.07.2025) steht sie bereits auf Platz 700 der UCI-Rangliste.
Text und Fotos: Patrick Van Gansen
